Lebensmittelpranger wahrscheinlich rechtswidrig

Wegen Bedenken an der Vereinbarkeit mit dem Europarecht hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof vorläufig die Veröffentlichung eines Betriebes im sogenannten Lebensmittelpranger untersagt.


Das Gericht führte aus, dass das deutsche Lebensmittelrecht zur Veröffentlichung von Betrieben mit Hygienemängeln im Internet über die europäischen Vorgaben hinausgeht. Nach dem deutschen Recht ist eine Veröffentlichung im Internet statthaft, "wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften verstoßen wurde, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 EUR zu erwarten ist". Demgegenüber bezieht sich das Europarecht lediglich auf einen hinreichenden Verdacht für eine Gesundheitsgefährdung. Folglich hat das deutsche Gesetz einen generalpräventive Charakter, der über das Ziel hinausschießt.

Darüber hinaus äußerte das Gericht den Verdacht, dass die deutschen Vorschriften nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Nach seiner Auffassung steht der Schwellenwert des angedrohten Bußgeldes in Höhe von 350 Euro, ab welchem eine Veröffentlichung zulässig sein soll, in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen bei einer Veröffentlichung.

Außerdem ist die Norm nicht hinreichend bestimmt, da sie das Handeln der Verwaltung in der Praxis unvorhersehbar macht.

Als Folge aus dieser Entscheidung muss der betroffenen Betriebe nun ein Hauptverfahren anstrengen, in dessen Verlauf der EUGH zur Frage der Vereinbarkeit mit dem Europarecht zu befragen ist.
 
Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil VGH BY 9 CE 122755 vom 18.03.2013
Normen: Art. 1 I, 2 I, 12 I GG, § 123, 146 VwGO, § 40 Ia Nr.2 LFGB
[bns]